Immunwashing

Nicola von Lutterotti zum „Sponsor-Bias“ (FAZ vom 25.5.2022)

Nach Greenwashing jetzt „Immunwashing“? Was als gefälliges Wortspiel rüberkommt, betrifft eine Tod-ernste Angelegenheit: „Die Forschung sollte unabhängig von finanziellen Interessen sein.“ Dieser mit diesem Statement eröffnete Beitrag von N. von Lutterotti nimmt Bezug auf eine Veröffentlichung im New England Journal of Medicine, einem der führenden Journale der medizinischen Wissenschaft: „Safety and Efficacy of a Third Dose of BNT162b2 Covid-19 Vaccine“ von Morreira et al. (2022, 386, 1910). Es handelt sich um eine randomisierte Studie zur Wirksamkeit des sog. „Boosters“ (Drittimpfung) durch den Corona-Impfstoff von Biontech-Pfizer. Die Autorin des FAZ-Beitrages geht dabei gar nicht mal auf den ungenau bezeichneten Endpunkt ein (es bleibt unklar, ob das Auftreten von „Covid“ nun eigentlich die symptomatische Erkrankung oder „nur“ die Infektion meint, ersteres wäre korrekt).  Sondern sie nimmt auf einen viel schwerwiegenderen Punkt Bezug, nämlich dass sowohl die Interpretation von Endpunkt und Daten als auch das Verfassen des Artikels von den Sponsor-Firmen übernommen wurde.

Zum Hintergrund: Bereits in den 90er und 00er Jahren hatten Forscher, die sich auf die Methodik der Evidence-based Medicine (Evidenz-basierte Medizin) berufen, durch vergleichende Studien zweifelsfrei festgestellt, dass die Tatsache, ob Artikel zu kontrollierten Studien von unabhängigen Forschern oder von Firmenangehörigen verfasst wurden, einen erheblichen Einfluss auf die berichteten Ergebnisse haben. Kurz zusammengefasst: wenn die Studien durch Firmenengehörige (oder finanziell Abhängige) ausgewertet und verfasst worden waren, zeigten sie „bessere“ Ergebnisse als bei unabhängiger Auswertung bzw. Abfassung der Artikel. Sogar die reine Finanzierung der eigentlichen Studie hat einen ähnlichen Effekt. Man nennt diesen Einfluss durch die finanzielle Abhängigkeit daher treffenderweise auch „Sponsor-Bias“. Zum Beispiel fand man in einer Untersuchung an 370 randomisierten Studien zu Themen aus den Cochrane-Reviews, dass bei unabhängiger Finanzierung (z.B. öffentliche Hand) 16% der Studien einen Vorteil für die neu erprobte Substanz aufwiesen, während dies für eine Finanzierung durch For-Profit-Organisationen für satte 51% der Fall war (Als-Nielsen et al., JAMA 2003, 290, 921).

Man kann also ohne Übertreibung festhalten und in diesem Sinne die Autorin des FAZ-Beitrages zitieren: „Es ist daher allerhöchste Zeit, derartigen Praktiken ein Ende zu bereiten und Studien, die das menschliche Wohl betreffen, auf unabhängige – sprich öffentlich finanzierte – Beine zu stellen.“ Gerade wenn man um Vertrauen z.B. für die Impfkampagne werben möchte.

Studie zum Booster im NEJM von Morreira et al.

zitierte Studie zum Sponsor-Bias von Als-Nielsen et al.

Artikel von Nicola von Lutterotti in der FAZ vom 25.5.2022