Warum müssen aus epidemiologischer Sicht die entzogenen Rechte sehr bald wieder zurückgegeben werden – und zwar nicht nur an die Geimpften/Genesenen, sondern an Alle?
Kurzfristig:
- Quarantäne und Schnelltests sollen die Weitergabe und Eigeninfektion reduzieren bzw. stoppen. Allerdings kann man das durch die Impfung mindestens genauso gut erreichen. AHA-Regeln werden wohl aus praktischen Gründen bleiben, es sei denn, man findet eine bessere Lösung, um Geimpfte äußerlich zu unterscheiden. Ein weiteres Argument besteht in der Extra-Sicherheit den Ungeimpften gegenüber.
- Wenn alle Impfwilligen immun sind, müssen alle Restriktionen aufgehoben werden.
- Eine Impfung für Kinder erfordert einen Impfstoff mit nach STIKO Einschätzung akzeptablem Nutzen-Risiko-Verhältnis. Kinderimpfstoffe müssen hierfür eine gewaltige Hürde nehmen; ich hoffe zwar, bezweifle aber, dass das gelingen wird. Dieses Problem sollte JETZT von der STIKO/Expertenrat diskutiert werden.
Langfristig:
Die Situation wird bald der Situation bei anderen endemischen Atemwegserkrankungen ähneln, denn es gibt außer für die Influenza keine Impfungen. Es gibt auch keine Restriktionen im Alltag.
- SARS-CoV-2 wird ständig weiter zirkulieren, und zwar saisonal in der nördl./südl. Hemisphäre und andauernd auf niedrigem Niveau in der Äquatorialregion. Der Grund besteht darin, dass die Immunität nach Impfung bzw. nach durchgemachter Infektion nicht zu 100% vor Reinfektion und Ausscheidung schützt.
- Mit anderen Worten: es wird keine „Herdenmimmunität“ im klassischen Sinn geben: auch wenn alle „immun“ sind, können sich einige doch noch infizieren. Es gibt wie bei den allermeisten anderen Infektionserkrankungen leider auch keine sterile Immunität nach SARS-CoV-2 Impfung/Infekt.
- Wichtig: die Reinfektionen werden viel, viel milder verlaufen als nach Erstinfektion; in allen Altersgruppen. Falls neue Varianten auftreten, kann es durch den verminderten Immunschutz aus vorherigen Infektionen zu einem „Coronajahr“ mit vermehrten Fällen kommen (ähnlich wie bei der Influenza). Die Impfempfehlungen wird man aber aus praktischen Gründen solchen Schwankungen nicht anpassen können.
- Ob ab 2022 überhaupt noch eine Impfung notwendig sein wird, hängt davon ab, wie schwer Reinfektionen bei den Älteren verlaufen. Falls der Schweregrad vergleichbar mit den anderen 4 endemischen Coronaviren ist, bedarf es keiner Impfung mehr. Falls es sich wie bei der Influenza verhält, müssen nur die Älteren nochmals geimpft werden.
- Bei den jährlich ca. 100 Mio neugeborenen Kindern verläuft die Erstinfektion mit SARS-CoV-2 mild oder asymptomatisch im Kindesalter so wie jetzt auch bei den anderen 4 endemischen Coronaviren. Alle ca. 5-10 Jahre erfolgt eine Reinfektion mit Auffrischung des Immunschutzes.
Kontakt: Prof. Dr. med. K. Stöhr, email